Schöner Post, danke!
Zumindest scheint man gerne mit zweierlei Maß zu messen, wenn es um US- und russisches Gebahren in der Weltpolitik geht. Auch lässt es sich sicher nicht abstreiten, dass man den Konflikt in dt. Medien stark personalisiert, d.h. stark Putin-zentriert und oft mit Küchenpsychologie verwoben (schwere Kindheit, bla).
Es fällt mir zumindest als relativ einstimmig auf. Aber vielleicht bin ich da zu 'biased', da ich geschichtlich und familiär vorbelastet bin. Aber ich verfolge den Konflikt ebenfalls.
Was ist eigentlich aus den Klitschkos geworden?
Bitte.
Die zwei Maße sind auch angebracht. Das eine Land annektiert (de-jure und nun de-facto) Territorium seit den frühen 90ern, das andere ritt sich in einen idiotischen Krieg hinein, der letztlich noch seine damaligen "Feinde" stärkte (Iran) und im besagten Land an die Macht brachte.
[Davor haben sich zwei Supermächte schlicht und ergreifend an einander gerieben. Vietnam? Afghanistan. In Korea waren ja beide drin. Im Nahen Osten auch. Kuba (Schweinebucht), Panama, usw? Tscheschen, Ungarn, Angola]
Dazu kommt noch die geographische Nähe, die Umstände bzw. Umfeld (Ukraine ist irgendwie über 20 Jahre ohne Krieg oder sonstige Spannungen ausgekommen - ganz im Gegensatz zu Ländern wie Irak oder Libyen), potentielle Gefahren für EU- & NATO-Staaten. Ich könnte so weiter machen, verstehe aber ehrlich gesagt nicht wieso das nicht selbstverständlich ist.
Russland ist Putin und Putin ist Russland. Er ist seit über 15 Jahren an der Macht, sperrt politische Rivalen ein (zuletzt
Nawalny) oder sie kommen auf unerklärliche Art und Weise ums Leben (Plutonium-Vergiftung anyone?). Politischer Diskurs findet nicht statt, Ansammlungen von mehr als 2 Personen sind eine Demonstration und müssen genehmigt werden, sonst droht Knast.
Die Annexion Krims wurde mit einer 1 Gegenstimme, ohne jegliche Debatten durchs Parlament gebracht. Der Mann mit der Gegenstimme ist in die USA geflohen.
Russland lebt diese Fixierung auf Putin ganz einfach vor.Daher kommen auch die Psychologen um die Ecke, aber auch weil der Mann aus westlicher Sicht irrational agiert und einfach nur dreist lügt (siehe russische Soldaten auf der Krim). Es gibt ja auch eine Menge Artikel á la "Insider in der Union: Merkel geschockt von Putins Verhalten".
Auch die meisten Russen bei mir in FB waren erst auf Seiten Putins, aber im Verlauf des Konflikts haben sie entweder die Seiten gewechselt (so richtig deutlich), oder lassen einfach nichts von sich hören, sind verstummt. Einer postet aber immer noch "Novorossia"-Videos, vor allem die an deutsches Publikum gerichteten.
Welches Interview mit einem der führenden Staatsoberhäupte ist das je gewesen? Es ging IMO nur darum mal die Gegenseite direkt zu Wort kommen zu lassen und nicht sich nur auf die Deutungen von irgendwelchen ehemaligen Korrespondenten, der Verteidigungsministerin (wie gestern in der ARD) oder von Journalisten zu verlassen.
Welches Interview mit einem ausländischen Staatsoberhaupt kritischer verlief kann ich auf Anhieb auch nicht sagen. Wobei, doch. Amerikanische Journalisten haben z.B. Assad richtig gelöchert, aber du sprachst ja von "führende[n]".
Andererseits: wie oft wurde ein kriegsführendes, führendes Staatsoberhaupt interviewt und noch mit einer derart zwielichtigen Vergangenheit (KGB-Agent)?
Es wurde ihm einfach eine Primetime-Bühne im dt. Fernsehen gewährt. Mit einem Buddy an seiner Seite:
/edit
Zum Konflikt selbst: ich find's schwierig das Ganze objektiv beurteilen zu können. Da fehlt vermutlich allen hier einfach die Expertise fehlen, was Völkerrecht und internationale Politik angeht, um den Konflikt wertneutral (lies: ohne West-/Ostdenken) beurteilen zu können. Man haut zwar gerne mit rechtspolitischen Begriffen um sich (Assoziierungsabkommen, NATO-Osterweiterung, etc.), aber das bringt niemanden in den Diskussionen weiter, da die Fronten recht verhärtet sind.
Auch Abseits des geopolitischen Geschehens und Völkerrechts kann man den Konflikt durchaus diskutieren. Ich habe oben den Begriff Annexion verwendet, da reicht es ja nur nach dem Motto "I call it, like I see it" zu gehen. Ich schaue auf Schottland und dann auf die Krim. Das Argument des "beschleunigten Referendums" aufgrund der Nazi-Gefahr kann sich Putin gerne in den Arsch stecken. Vor allem da diese Nazis sowohl bei den Präs.-Wahlen, als auch auch bei den Parlamentswahlen in Ukraine eine marginale Rolle spielten (und Rechter Sektor nebenbei jüdische Mitglieder hat) und jegliche Massengräber- und sonstige Schaudergeschichten aus den russischen Nachrichten bisher reine Fiktion waren. Dafür verschwinden nun reihenweise Krim-Tataren (sollen schon an die 70 Tote / Vermisste sein), die mag Russland ja nicht so gerne.
Wenn das kalter Krieg ist, dann hat er nie aufgehört.
Falsch. Hier hast du eine Übersicht:
At sea, on land and in the air, Russia has been flexing its military might this year in a way that hasn't been seen in a generation. NATO has scrambled jets more than 100 times to intercept Russian aircraft near European airspace in 2014 -- three times as often as in 2013 or 2012, the alliance says. Sweden launched a huge naval operation in search of a mystery submarine in October, an Estonian security service operative was abducted in September, and Russian aircraft buzzed American and Canadian ships in the spring and summer.
http://edition.cnn.com/interactive/2014/11/world/russia-west/?hpt=hp_c1
Außerdem müsste ja eigentlich klar sein wieso sich die Bewertung des russischen Vorgehens in der Ukraine von z.B. dem in Georgien, am Rande Europas, unterscheidet.
Allein schon, dass sich Nuke-fähiges Gerät plötzlich auf der Krim wiederfindet müsste eigentlich deutlich machen, dass sich momentan so einiges verschiebt:
Russian forces "capable of being nuclear" moving to Crimea, NATO chief says - CBS News
Russia prepares nuclear surprise for NATO
Geschweige denn von russischen Politikern geäußerte Drohungen gegen EU-Mitgliedsstaaten.
Ich denke nicht, dass hier bewusst (aus irgendeinem übergeordneten Zweck heraus) eine Anti-Russische Agenda gefahren wird. Mich stört dennoch einfach wie oft in der Berichterstattung das Ganze emotionalisiert, personalisiert oder vereinfacht wird, wie Ereignisse immer wieder mir als Leser/Zuschauer ohne Kontext vorgesetzt werden. In letzter Konsequenz ist dass dann alles größtenteils recht einseitig, was vermutlich einfach eine Konsequenz der Entwicklung (und Boulevardisierung) der Medien ist, aber es stößt mir dann halt schon auf.
Das ist alles vielleicht nicht anders als sonst, aber es tritt durch den Konflikt (und die geopolitische Nähe und Bedeutung) in einer selten vorkommenden Konzentration auf. Es hilft dabei auch nicht, wenn z.B. die Opfer eines Flugzeugunglücks instrumentalisiert werden oder dass mein grundlegendes Vertrauen in die Medien u.A. durch jahrelange Leistungsschutzrechtpropaganda abgenommen hat.
Absatz 1: Das ist doch aber eigentlich schon immer so gewesen. In der Tagesschau vor etlichen Jahrzehnten hat man auch halb-verbrannte vietnamesische Kinder gezeigt statt das Ganze in einer Gesprächsrunde beiläufig zu erwähnen. Ich weiß nicht was sich mit dem Ukraine-Konflikt daran geändert haben soll? Hast du Beispiele?
Absatz 2: Der Konflikt ist höchstens nur deshalb so besonders, weil er in Zeiten von twitter & co. ausgetragen wird - so wie auch im Falle Syriens, nur ist Ukraine sowohl kulturell als auch geographisch näher. Außerdem wird von einer Seite extreme Desinformation betrieben, die in der Geschichte seines gleichen sucht (auch weil wir in Zeiten von twitter & co. leben).
Top.